Rede von Tanja Banavas zum 2. Jahrestag des Inkrafttretens des UN-Atomwaffenverbotsvertrages
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Friedensfreundinnen und -freunde!
Wir, die Bonner Friedensgruppen rufen mit unserer heutigen Kundgebung unter dem Motto „5 vor 12“ zum Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag auf! Wir fordern von der Bundesregierung, diesen Vertrag zu unterzeichnen und den Abzug aller Atomwaffen vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu veranlassen!
Am 22. Januar 2021 ist der UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft getreten. Er wurde ausgehandelt, weil sich die Atomwaffenstaaten seit über 50 Jahren weigern, der Verpflichtung zu vollständiger nuklearer Abrüstung aus dem Nichtverbreitungsvertrag nachzukommen. Aktuell haben den Vertrag 92 Staaten unterzeichnet. Die Stadt Bonn schloss sich im September 2021 dem Städteappell von ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung aller Atombomben) an und steht damit hinter unserer Forderung.
60 km von Bonn entfernt lagern in Büchel in der Eifel etwa 20 Atombomben. Jede dieser Bomben hat eine maximale Sprengkraft von 13 Hiroshimabomben. Die Hiroshimabombe hat vor 70 Jahren binnen vier Monaten 140.000 Menschen getötet und unzählige zu langjährigen Leiden verurteilt.
Mit 36 Tornado-Kampfflugzeugen stellt die Bundeswehr das Trägersystem für diese Atombomben bereit. Deutsche Piloten sind im Ernstfall verpflichtet, die Atombomben auf Befehl der NATO von deutschem Boden aus im Zielgebiet abzuwerfen. Das ist nur möglich, weil die Bundesregierung sich freiwillig an der sogenannten nuklearen Teilhabe der NATO beteiligt. Die in Büchel gelagerten Atombomben wurden ab 1968 in großer Stückzahl in Europa stationiert. Zur Zeit lagern noch immer ca. 180 US-Atombomben in Belgien, Niederlande, Italien und der Türkei.
Die NATO führt jährlich Manöver zur sogenannten „Verteidigung des Bündnisgebiets“ mit Atomwaffen durch. An der regelmäßig im Oktober durchgeführten Abschreckungsübung "Steadfast Noon" nehmen auch Soldaten aus Deutschland teil. Bei dem Manöver wir u.a. geübt, wie man die US-Atomwaffen aus den unterirdischen Magazinen auf dem Fliegerhorst Büchel zu den Flugzeugen transportiert und unter die Kampfjets montiert.
Trotz aller Proteste hält die Bundesregierung hartnäckig an der nuklearen Teilhabe in der NATO fest. Statt abzurüsten, rüstet die Bundesregierung auch atomar auf:
Für mehr als zehn Milliarden Euro wird die Bundeswehr 35 Flugzeuge des Typs »F-35« in den USA kaufen. Diese F-35 sollen die Tornados als deutsche Atombomber ablösen. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung im Dezember letzten Jahres die Mittel freigegeben.
Neue zielgenauere Atombomben sollen in Kürze in Büchel stationiert werden. Die neue Bombe soll von einer „dummen“ frei fallenden Waffe zu einer „smarten“ Lenkwaffe umgebaut werden. Die Gefahr eines möglichen Einsatzes wird durch die deutlich größere Zielgenauigkeit erhöht, da der Glaube besteht, dass die neue Bombe weniger „Kollateralschaden“ verursacht. Damit wird die Hemmschwelle für den Einsatz gesenkt.
Die Bundesregierung nutzt den Krieg in der Ukraine zur Durchsetzung einer lange geplanten unvorstellbaren Aufrüstungspolitik. Neben den 100 Milliarden Euro Sonderschulden wurde auch die Erhöhung der zukünftigen jährlichen Rüstungshaushalte auf 2% des Bruttoinlandsproduktes als Ziel festgelegt. Dies bedeutet eine Steigerung von annähernd 50 Prozent, für 2021 z.B. von ca. 47 Mrd. auf 71 Mrd. Euro.
Die für die nächsten Jahre geplanten Rüstungsvorhaben dienen nicht der Landesverteidigung, sondern der Verbesserung der Interventionsfähigkeit der Bundeswehr im Globalen Süden und Osten. So soll z.B. zusammen mit Frankreich ein autonomes Luftkampfsystem aus Kampfjets und Drohnen sowie der neue Kampfpanzer MGCS entwickelt werden. Der Generalinspekteur der deutschen Luftwaffe Ingo Gerhartz spricht klare Worte zu den aktuellen Aufrüstungsplänen. Auf einer Tagung des Instituts für Sicherheitspolitik in Kiel forderte er die NATO auf, im Ernstfall auch Atomwaffen einzusetzen: „Für eine glaubhafte Abschreckung brauchen wir sowohl die Mittel als auch den politischen Willen, die nukleare Abschreckung nötigenfalls umzusetzen.“
Die Debatten um einen Atomwaffeneinsatz im Kontext des Ukraine-Krieges zeigen, wie fragil die atomare Abschreckung ist. Der Atomkrieg ist jederzeit möglich. Statt aufzurüsten und immer mehr Waffen und Panzer in die Ukraine zu liefern, muss die Bundesregierung auf einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen drängen.
Das Konzept der „nuklearen Teilhabe“ ist völkerrechtswidrig. Denn nach dem Nichtverbreitungsvertrag für Nuklearwaffen darf die Bundesrepublik weder unmittelbar noch mittelbar über Atomwaffen verfügen. Und in Büchel haben wir genau diese mittelbare – und im Ernstfall unmittelbare - Verfügungsgewalt. Jeder Einsatz von Atomwaffen wäre völkerrechtlich ein Verbrechen. Denn der Internationale Gerichtshof hat schon 1996 in einem von der UNO angeforderten Gutachten erklärt, dass der Einsatz dieser Waffen „generell“ völkerrechtswidrig sei. Atomwaffen können nicht zwischen Kriegsbeteiligten und Zivilisten unterscheiden, sie verursachen extreme Qualen, wirken durch die Strahlung unbegrenzt, zerstören die Umwelt, ziehen unbeteiligte Staaten in Mitleidenschaft und bedrohen den gesamten Planeten.
Wir sagen: Schluss mit dieser Eskalationspolitik! Die Antworten auf den Ukraine-Krieg dürfen unserer Meinung nach nicht Hochrüstung, Waffenlieferungen und eine Sanktionsspirale sein. Sie lauten stattdessen: Deeskalation! Waffenstillstand! Intensive Suche nach einer Lösung durch Verhandlungen, bei der auch den Sicherheitsinteressen Russlands Rechnung getragen wird. Unsere Solidarität gilt den Zivilgesellschaften in der Ukraine und in Russland.
Wir sagen:
- Nein zum 100 Milliarden-Aufrüstunspaket, Nein zum 2%-Ziel der NATO!
- Abrüstung und internationale Zusammenarbeit! Frieden in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben!
- Stopp der Waffenlieferungen der NATO-Staaten an die ukrainische Regierung!
- Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr!
- Stopp von Rüstungsexporten!
- Wir fordern den Abzug der Atombomben aus Büchel, den Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe in der NATO, keine neuen Atombomber F-35!
- Deutschland muss dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten!